Strömungsimpuls und Schwimmerlebnis

Die Leistungsfähigkeit einer Gegenstromanlage ist nicht allein auf die Umwälzleistung beziehungsweise auf den Volumenstrom zurückzuführen. Vielmehr müssen weitere hydraulische Rand­bedingungen sowie insbesondere der Strömungsimpuls mit berücksichtigt werden. Ein Gastbeitrag von Alexander Reuß, Technischer Verkaufsleiter bei Ospa.

Gegenstromanlagen gehören seit vielen Jahren zu den Standardattraktionen in vielen Schwimmbädern und entwickeln sich ständig weiter. Es gibt die unterschiedlichsten Modelle – von kleinen Anlagen mit ca. 40 m³/h bis zu großen Anlagen mit bis zu 250 m³/h (oder gar 1 000 m³/h lt. Angaben der Hersteller).

Was bei Vergleichen oft auffällt ist, dass bezüglich der Leistungsfähigkeit der Anlage meist lediglich die Umwälzleistung verglichen wird, nach dem Motto: je größer die Umwälzleistung, desto besser das Schwimmerlebnis der Gegenstromanlage – Geschwindigkeit, Gleichmäßigkeit der Strömung, Breite des Schwimmkanals usw. spielen bei solchen Vergleichen dagegen kaum eine Rolle. Nachfolgend soll aufgezeigt werden, dass solche Vergleiche kaum die Unterschiede zwischen den einzelnen Gegenstromanlagen aufzeigen können, da wesentliche hydraulische Elemente des Gegenstromschwimmens bei solchen Vergleichen keine Berücksichtigung finden.

In diesem Artikel sollen Überlegungen zu Einströmkonstruktionen (z. B. Düsen), Installationsbedingungen (z. B. Verrohrung, Einbau), Ansaugung und Beckenhydraulik – neben grundsätzlichen Überlegungen zur Hydraulik von Gegenstromanlagen – angestellt werden, die zur Optimierung und Verbesserung von Gegenstromanlagen herangezogen werden.

Das Strömungsprinzip

Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass allein der angegebene Volumenstrom des Antriebsmotors (z. B. Pumpe oder Propeller) die Strömung ausmacht. Das stimmt so aber nicht. Vielmehr ist es so, dass zwischen der ins Becken strömenden, durch den Antrieb bewegten Wassermenge (Fluid 1: welches in Abhängigkeit von Größe und Geometrie der Einströmkonstruktion Energie einträgt) und dem in Bewegung gesetzten Wasserkörper im Becken selbst (Fluid 2) unterschieden werden muss.

Fluid 1 stößt also Fluid 2 an und bildet in diesem einen Strömungskanal aus. Die durch den jeweiligen Antrieb angestoßene Wassermenge im Beckenkörper entspricht also nicht dem „Volumenstrom“ des gewählten Antriebs, sondern ist um ein Vielfaches größer. Der Antriebsmotor bzw. die von diesem in Bewegung gesetzte Wassermenge dient also durch Einströmen in den Beckenwasserkörper nur als „Anstoß“, um in eben jenem einen Strömungskanal auszubilden.

Dieser Strömungskanal muss, damit das Schwimmen als angenehm empfunden wird, möglichst breit und möglichst gleichmäßig sein. Damit auch leistungsstarke Schwimmer die Anlage nutzen können, muss zudem die Fließgeschwindigkeit möglichst hoch sein. Dabei ist der Volumenstrom des Antriebs zwar wichtig, aber eben nicht allein ausschlaggebend. Vielmehr kommt es auf die durch das Fluid 1 in das Fluid 2 eingetragene Energie an, die man als Strömungsimpuls bezeichnen und berechnen kann (siehe dazu weiter unten).

Eine größere Umwälzleistung bedeutet also nicht automatisch eine bessere, stärkere Anlage, ganz davon abgesehen, dass die Angabe der Umwälzleistung abhängig von den Randbedingungen der gesamten Installation ist. Um eine valide Aussage zur Umwälzleistung treffen zu können, muss die Kennlinie des installierten Antriebs mit einbezogen und interpretiert werden. Man kann also nicht einfach die maximal mögliche Förderleistung des Antriebs als Umwälzleistung angeben, sondern muss die spezifischen Installationsbedingungen berücksichtigen, aus denen sich die tatsächliche Umwälzleistung ergibt.

Zur Klarstellung sollte an dieser Stelle erwähnt werden, dass dieses Strömungsprinzip nicht für Becken gilt, in denen der Volumenstrom aus dem gesamten Beckenkörpervolumen besteht (Fluid 1 = Fluid 2) – wie z. B. in speziellen Leistungszentren. Bei solchen Anlagen handelt es sich nicht um Gegenstromanlagen, wie sie in privaten Schwimmbecken eingebaut und in diesem Artikel betrachtet werden, sondern um Strömungsbecken.

Die Strömungssimulation

Die Illustration zeigt eine Strömungssimulation. Sie steht am Anfang der Entwicklung einer neuen Gegenstromanlage und soll erste Aufschlüsse darüber geben, wo Düsen und Ansaugungen positioniert werden sollten. Illustration: Ospa
Die Illustration zeigt eine Strömungssimulation. Sie steht am Anfang der Entwicklung einer neuen Gegenstromanlage und soll erste Aufschlüsse darüber geben, wo Düsen und Ansaugungen positioniert werden sollten. Illustration: Ospa

Der erste Schritt bei der Entwicklung bzw.Weiterentwicklung von Gegenstromanlagen ist eine Strömungssimulation mit einer hydraulischen Simulationssoftware, bei welcher verschiedene Konstruktionen, Positionen (Tiefe, Abstände, Winkel, Anzahl usw.) von Einströmkonstruktion(en) und Ansaugungen, Beckenformen usw. infinitesimal berechnet werden können.

Ziel einer solchen Simulation ist zum einen eine qualitative Aussage darüber, wo, in welcher Tiefe und in welchen Abständen z. B. Düsen und Ansaugungen für ein optimales Strömungsbild am besten positioniert werden sollten, zum anderen die Optimierung des Strömungsverhaltens (Optimum aus Volumenstrom, dem durch diesen eingetragenen Strömungsimpuls in das Becken sowie dem Strom des Beckenwassers im Beckenkörper).

Eine solche Simulation kann natürlich kein eigenes Erleben im Sinne eines Ausprobierens der Gegenstromanlage in einem Vorführbad oder Testbecken ersetzen, denn einerseits sind quantitative Aussagen zu Fließgeschwindigkeiten des Wassers im Becken immer nur für jeweils einen Punkt im dreidimensionalen Beckenkörper im Becken möglich und somit nicht universal gültig, zum anderen unterscheidet sich jeder Schwimmer in seiner Leistungsfähigkeit so sehr, dass sich für jeden Schwimmer eine andere Stelle im Becken für jeweils komfortables und anstrengendes Schwimmen ergibt. Eine Vorhersage dazu durch die Simulation ist daher unmöglich.

Strömung ist zeitlich dynamisch

Eine weitere, ganz wesentliche Aussage, die mit einer Strömungssimulation gemacht werden kann, ist die Angabe von konkreten möglichen Fließgeschwindigkeiten an bestimmten Referenzpunkten im Becken.

Eine wesentliche Erkenntnis von Strömungssimulationen ist die Bestätigung dessen, was man aus dem praktischen Betrieb von Gegenstromanlagen kennt, nämlich dass die Strömung im Becken nicht stationär, sondern zeitlich dynamisch ist. Das bedeutet, dass sich die Strömung an einem bestimmten einzelnen Punkt im Becken ständig ändern kann. Das betrifft nicht nur den Betrag des Geschwindigkeitsvektors, sondern auch seine Richtung, die sich teilweise auch umkehren kann.

Das liegt daran, dass wie gesagt nicht allein die ins Becken einströmende Wassermenge für die erzeugte Strömung entscheidend ist (und damit auch das Schwimmerlebnis ausmacht), sondern auch die durch diese einströmende Wassermenge eingetragene Energie in den Beckenwasserkörper (siehe Strömungsprinzip).

Nun muss man sich vor Augen halten, dass das in Bewegung gesetzte Beckenkörperwasser hin und her schwappt, da die in Bewegung gesetzte Wassermenge nicht komplett abgesaugt und wieder ins Becken eingetragen werden kann. Dabei überlagern sich die Wellen zu bestimmten Zeitpunkten (das kann in verschiedene Richtungen geschehen), so dass einmal ein besonders schweres Anschwimmen gegen die Gegenstromanlage empfunden wird, ein andermal spürt man eher einen Schub von hinten. Eine wesentliche Aufgabe der Strömungssimulation ist, ­diese Effekte durch
verbesserte Kon­struktion der Gegenstromanlage zu minimieren.

Praktisches Testen

Die neu entwickelte ­Gegenstromanlage „Ospa-PowerSwim 3.5“ soll mit ihrer breiten und gleichmäßigen Strömung ein möglichst natürliches Schwimm­erlebnis bieten. Foto: Tom Philippi
Die neu entwickelte ­Gegenstromanlage „Ospa-PowerSwim 3.5“ soll mit ihrer breiten und gleichmäßigen Strömung ein möglichst natürliches Schwimm­erlebnis bieten. Foto: Tom Philippi

Keine noch so gute Strömungssimulation kann ein eigenes Erleben ersetzen. Eine Strömungssimulation kann lediglich die Realität abstrakt und unter bestimmten Voraussetzungen (definierter Volumenstrom, keine Störgröße sprich: Schwimmer im Becken, Aufteilung des Beckenkörpers in finite Elemente – je kleiner, desto aufwendiger) widerspiegeln.

Hinzu kommt, dass für die Berechnungsgrößen Fließgeschwindigkeiten, Volumenstrom, Druck, Druckverlust usw., die sich zudem immer nur auf einen bestimmten Punkt im dreidimensionalen, die Zeit mit einbeziehend (denn die Strömung verändert sich über die Zeit) sogar vierdimensionalen Raum bezieht, aufgrund der geringen Verankerung im Alltagsleben kein entsprechendes „Gefühl“ vorhanden ist. Außerdem wird immer nur ein bestimmter, vorgegebener Volumenstrom simuliert, nicht aber ob der ausgewählte Antrieb diesen Volumenstrom überhaupt erreicht, ihn laut Kennlinie überhaupt erreichen kann. Eine Strömungssimulation kann daher nur die Rahmenbedingungen definieren und Konstruktionen optimieren.

Ein eigenes intensives Testschwimmen bleibt also bei der Entwicklung von ­Gegenstromanlagen nicht aus. Beim Testschwimmen mit verschiedenen Volumenströmen wird man feststellen, dass ein höherer Volumenstrom zwar die Fließgeschwindigkeit an der Einströmkonstruktion erhöht, aber nicht zwangsläufig ein angenehmeres, gleichmäßigeres Schwimmen ermöglicht. Im Gegenteil, je stärker die Leistung, desto stärker mitunter der Strahl und desto unregelmäßiger (weil turbulenter) und unangenehmer kann das Schwimmen werden.

Vielmehr ist es so, dass die Stellgrößen ­Volumenstrom, Fließgeschwindigkeit, Geometrie und Größe der Einströmkonstruktion sowie Gleichmäßigkeit des Strömungskörpers, die sich teilweise diametral gegenüberstehen – eine höhere Fließgeschwindigkeit bedeutet z. B. mehr hydraulische Verluste, höhere hydraulische Verluste bedeuten weniger Volumenstrom – sich ergebende Druck­verluste und sonstige hydraulische Randbedingungen aufeinander abgestimmt und optimiert werden müssen.

Aus diesem Grund sind auch manche angestellten Vergleiche mit Angabe des Volumenstroms ohne Randbedingungen und vor allem ohne Strömungsimpuls nur wenig aussagekräftig.

Strömungsimpuls beziehungsweise 
Kraftstoß

Nun ist bereits mehrfach der Begriff ­Strömungsimpuls gefallen. Dabei handelt es um einen in die Schwimmbadtechnik neu eingeführten Begriff aus der klassischen Physik und stellt das Produkt aus Masse und Geschwindigkeit (Impuls), im Falle der Einströmung eines Wasserkörpers in einen anderen Wasserkörper als Produkt des Volumenstroms mit der ­Einströmgeschwindigkeit (Strömungs­impuls) dar.

Der Grund, warum sich die Größe des Strömungsimpulses an dieser Stelle sehr gut eignet ist der, dass – wie oben bereits angerissen – durch einen einströmenden Wasserkörper (Fluid 1 bzw. der durch die Gegenstromanlage umgewälzte Volumenstrom) ein anderer Wasserkörper ­(Fluid 2 bzw. der Beckenwasserkörper) in Bewegung gesetzt wird. Übertragen auf Erfahrungen des Alltags ist es also so, als ob durch einen Schubser ein Wagen in ­Bewegung gesetzt wird, mit dem Unterschied, dass Körper 1 und 2 keine Festkörper, sondern Flüssigkeiten sind, die sich gegenseitig beeinflussen.

Mit den bekannten Formeln aus der Physik lässt sich der Strömungsimpuls ableiten und berechnen. Aus der Physik ist bekannt, dass sich aus der Kraft, die auf einen Körper einwirkt und deren Einwirkungsdauer eine Impulsänderung ergibt, die als Kraftstoß bezeichnet wird. Ist die Kraft im Zeitintervall konstant, kann der Kraftstoß mittels einer physikalischen Gleichung berechnet werden.

Laden Sie sich hier den kompletten Artikel inklusive der physikalischen Formeln als PDF herunter

Vereinfacht ausgedrückt kann man also sagen, der Strömungsimpuls ist die durch den Wasserstrahl (Fluid 1) eingetragene Kraft, mit der das im Becken befindliche Wasser (Fluid 2) – über einen bestimmten Zeitraum – in Bewegung gesetzt wird und welcher das Schwimmgefühl im Wesentlichen ausmacht und definiert.

Ein hoher Strömungsimpuls ist also nicht gleichbedeutend mit einem sehr starken Strahl, sondern vielmehr Ausdruck eines starken Strahls (Druck) bei gleichzeitig hohem Volumenstrom. Da diese beiden Größen gegenläufig sind (hohe Einströmgeschwindigkeit –> höherer hydraulischer Verlust –> niedrigerer Volumenstrom), setzt hier der Optimierungsprozess an.

Aus all diesen leider nicht trivialen Betrachtungen ergeben sich umfangreiche Berechnungen, in welche auch an Ansaugungen und Einströmkonstruktionen sowie die Leistung der eingesetzten Antriebe einfließen. All dies ist Teil einer professionellen Optimierung einer Gegen­stromanlage.

Unter Berücksichtigung des jeweils eingesetzten Antriebs (Kennlinie) und unter Zuhilfenahme der Strömungssimulation können optimale Installationskonfiguration, der optimale Antrieb sowie die optimale Einströmgeometrie sowie Einström- und Ansaugpositionierung ermittelt werden und in die Weiterentwicklung von Gegenstromanlagen einfließen.

Ergebnisse der Strömungsberechnungen

Aus den oben genannten Betrachtungen und Berechnungen ergeben sich folgende konkrete Erkenntnisse:
• Wissen über optimale Einströmkonstruktion bei gleicher installierter Leistung;
• Wissen über optimale Einströmpositionierung, dadurch stabilere und gleichmäßige Strömung im Beckenkörper;
• ideale Positionierung der Absaugung(en);
• Wissen über ideale Geometrie der Einströmkonstruktion, dadurch breiter und kraftvoller Strömungskanal;
• Strömungsimpuls von leistungsfähigen Gegenstromanlagen liegt bei > 100 Ns, besser > 120 Ns, erst ab diesen Strömungsimpulsen sind höhere Fließgeschwindigkeiten (> 1,5 m/s bzw. < 1:05 Min./100 m) im Becken und somit kraftvolles Schwimmen auch von Leistungsausdauersportlern möglich.

Der Autor dieses Beitrags hofft, eine wissenschaftlich-technische Grundlage und Hilfestellung für die Berechnung und Optimierung von Gegenstromanlagen geliefert und aufgezeigt zu haben, dass bei entsprechenden Vergleichen von Gegenstromanlagen Volumenströme allein nicht aussagekräftig sind, sondern auch die Strömungsimpulse, Geometrie und Größe von Einströmkonstruktionen, Einbausituation usw. und die sich daraus ergebenden möglichen Fließgeschwindigkeiten in solche Vergleiche einfließen müssen.

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