Die "interbad" im Jahr der Corona-Krise

Aller Voraussicht nach wird die Fachmesse "interbad 2020" vom 27. bis 30. Oktober in Stuttgart tatsächlich stattfinden. Im Rahmen der Corona-Beratungen von Bund und Ländern am 6. Mai wurde auch die Öffnung von Schwimmbädern thematisiert. Die Umsetzung der Beratungsergebnisse obliegt den Bundesländern, die hierzu teilweise bereits Planungen kommuniziert haben. Was bedeutet dies für die kommende "interbad"? Interview mit Christian Ochsenbauer, dem Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen.

Welche Unterstützung benötigen die Kommunen in Zeiten von Corona, um im Bereich der öffentlichen Bäder ihrem Auftrag in der Daseinsvorsorge nachkommen zu können?

Ochsenbauer: "Im Moment fehlt den Kommunen vor allem Planungssicherheit. Auch nach der Pressekonferenz der Bundesregierung am 6. Mai 2020 fehlt für die öffentlichen Bäder in Deutschland eine klare Ansage der Politik. Damit muss jetzt schnell Schluss sein, sonst bleiben die Badbetreiber weiterhin im Schwebezustand. Besonders zeitkritisch sind die Freibäder. Sie haben einen Vorlauf von bis zu drei Wochen von der offiziellen Erlaubnis der Öffnung bis zum tatsächlichen Start des Badebetriebs.

"Öffentliche Bäder brauchen eine Lobby"

Damit ist jetzt schon klar, dass viele Freibäder frühestens Anfang Juni öffnen könnten. Ob das die Kommunen dann noch machen, steht auf einem anderen Blatt. Wir haben die Politik darauf eindringlich hingewiesen. Wir sind enttäuscht, dass den Bädern so wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. Gerade in Zeiten von Corona brauchen die öffentlichen Bäder eine engagierte Lobby in der Politik.

Mittlerweile zweifelt niemand mehr daran, dass uns eine Rezession und damit sinkende Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen bevorstehen. Alle freiwilligen Daseinsvorsorgeleistungen der Kommunen werden über kurz oder lang auf dem Prüfstand stehen. Die Kommunen brauchen einen „Rettungsschirm“, um ihren Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge nachkommen zu können, das kann man jetzt schon vorher sehen. Wenn es einen solchen nicht gibt, müssen wir damit rechnen, dass die kommunale Daseinsvorsorge generell ins Schleudern gerät.

Es ist zu befürchten, dass geplante Investitionen in Bäder zurückgestellt werden und Bäderschließungsdiskussionen zunehmen. Das darf so nicht hingenommen werden. Umso wichtiger werden Innovationen in den Bereichen Bäderbau, Bäderbetrieb und Bädertechnik. Hier haben Unternehmen, Betreiber und auch die Verbände eine große Verantwortung."

Werden öffentliche Bäder von dem vorgeschlagenen „Klima-Konjunkturpaket“ zur Förderung langfristiger Investitionen in umweltfreundliche Technologien profitieren?

Ochsenbauer: "Da sind wir uns sehr sicher, wir haben ja gesehen, wie sehr die Bäder von entsprechenden Konjunktur-Programmen nach der „Lehmann-Krise“ profitiert haben. Energieeffizienz und Nachhaltigkeit sind ja nicht neu für die Bäderwelt. Unternehmen, Planer, Betreiber und auch wir arbeiten schon jetzt intensiv an der Verfeinerung entsprechender Konzepte."

"Die wichtigste ,interbad`seit langem"

Wir sprechen derzeit trotz der Krise im Zusammenhang mit Schwimmbad, Sauna, Spa und Wellness über viele interessante Themen und auch positive Perspektiven. Wie sehen Sie die Bedeutung der interbad im kommenden Oktober vor diesem Hintergrund?

Ochsenbauer: "Das wird die wichtigste "interbad" seit langem sein, wenn nicht die wichtigste, die es jemals gab! Im Moment sortieren sich Gesellschaft und Wirtschaft neu. Man spricht ja schon davon, dass Corona eine Zeitenwende einläutet. Das bedeutet, dass sich auch in der Bäderszene die Akteure zum Teil grundlegend neu positionieren werden müssen. Das stellt alle vor enorme Herausforderungen, bietet aber auch Chancen, die ohne Corona niemals entstanden wären.

Die Digitalisierung erlebt einen noch vor wenigen Wochen ungeahnten Boom. Anbieter von digitalen Systemen zur Zugangssteuerung können sich vor Anfragen kaum retten. Verwaltungs-, Vertriebs-und Managementprozesse entwickeln sich innerhalb von Wochen weiter in Schritten, für die vor Corona noch Jahre veranschlagt wurden. Das wird auch die Schwimmbadbranche rasant verändern, auch wenn natürlich die physische Basis ein Schwimmbecken mit Wasser bleiben wird.

Wir werden zur "interbad 2020" den Beginn einer Ära der neuen Normalität erlebt haben und mit vielen Innovationen und Herausforderungen konfrontiert sein, die den Austausch auf einer Kommunikations-und Wissensplattform wie der interbad mehr denn je unverzichtbar machen werden. Und wir werden enorme Herausforderungen durch die wirtschaftlichen Probleme der Kommunen sehen.

Innovative Bäderkonzepte, die Funktionalität und Effizienz kommunaler Daseinsvorsorge-Angebote betonen, werden Hochkonjunktur haben. Die Frage von Spa und Wellness in einer neuen Normalität, die von neuen Rahmenbedingungen für Freizeitbäder, Thermen, Tourismus und Hotels geprägt sein wird, wird ein weiteres Hauptthema sein. Die "interbad" im kommenden Oktober wird für all diese Fragen wegweisend werden."

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