Fitness im Pool: Mehr als nur schwimmen

Die Leichtigkeit des Seins: Diese vier Worte spiegeln für Michael Hahn die Empfindungen beim Eintauchen ins Wasser am besten wider. Hahn ist ehemaliger Deutscher Schwimmmeister und Buchautor und erklärt im folgenden Interview die Vorteile der Aquafitness.

SCHWIMMBAD+SAUNA: Herr Hahn, als ehemaliger Deutscher Meister und begeisterter Schwimmer können Sie unseren Leserinnen und Lesern sowie allen Poolbesitzern bestimmt sagen, warum Bewegung im Wasser so gut tut.

Michael Hahn: Nicht nur mein regelmäßiges Schwimmtraining, sondern vor allem meine tägliche Aquafitness-Einheit im Swimmingpool bringt für mich den idealen Ausgleich zur sitzenden Bürotätigkeit oder zu meinen Unterrichtseinheiten in Hörsaal, Sport- oder Schwimmhalle. Nach dem Sport im Wasser fühle ich mich angenehm ausbelastet, aber nie überlastet.

S+S: Warum ist Wasser das ideale Element, um den Körper fit zu halten, und ist es auch für jeden geeignet?

Hahn: Der Auftrieb des Wassers schont den Bewegungsapparat, vor allem die Gelenke, und macht deshalb das Medium Wasser zum idealen Sportplatz für Personen mit schwerem Körperbau, mit Verletzungen und auch für Schwangere. Der Wasserdruck trägt zur ­Stärkung der Atemmuskulatur bei, der Wasserwiderstand harmonisiert die Bewegungsabläufe und nicht zuletzt stimuliert der Kältereiz bei Wassertemperaturen unter 28 Grad Celsius das Immunsystem.

S+S: Nun gibt es verschiedene Formen der Aquafitness, die Sie in Ihrem Buch ­skizzieren. Nennen Sie uns die wichtigsten Übungen und welche Auswirkung sie auf die einzelnen Körperteile haben.

Hahn: Meine Lieblingsübungen für die Beine sind die Schaukel- und Pendelbewegungen in allen möglichen Variationen. Bei den Schaukelbewegungen werden äußerst effektiv sowohl Vorder- als auch Rückseite der Beine, bei den Pendelbewegungen die Innen- und Außenseite der Beine trainiert. Und ganz nebenbei sorgen diese Übungen für einen festen Po. Für das Armtraining verwende ich sehr gerne Aquafitness-Handschuhe zur Vergrößerung des Widerstandes. Mit langen Armen und weit gespreizten Händen simuliere ich dann Übungen aus dem Kraftraum und erspare mir tatsächlich das Hanteltraining an Land. Da ich die Übungen selten isoliert, sondern als Ganzkörperübungen ausführe, kommt beim Workout auch die Rücken-, Bauch- und Rumpfmuskulatur nicht zu kurz.

S+S: Welche medizinischen Grundkenntnisse haben Sie sich dafür erwerben müssen?

Hahn: In meiner Funktion als Fachleiter für Schwimmen an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften der TU München stehe ich im regen Austausch mit den einschlä­gigen Lehrstühlen im Haus, hier insbesondere mit dem Zentrum für Prävention und Sportmedizin von Professor Halle vom Klinikum Rechts der Isar in München.

S+S: Können Sie den Menschen raten, sich ihr eigenes Trainingsprogramm im ­Wasser aufzustellen, um zum Beispiel ihr Rückenleiden zu schmälern oder Ausdauer und Kraft zu erwerben?

Hahn: Das hängt etwas von den persönlichen Kenntnissen in den Bereichen Trainingswissenschaft und Sportmedizin ab. Wer hier ausgebildet oder zumindest gut belesen ist, kann sich ohne Probleme ein geeignetes Workout zusammenstellen. Zudem empfehle ich
als Unterstützung ein paar „Nachhilfestunden“ in Aquafitness-Gruppen und dort gut ­aufzupassen: Den richtigen Wasserdruck an den Gliedmaßen für effektives Training zu erfühlen, erfordert eine gewisse Übungs- und Gewöhnungszeit.

S+S: Welche langfristige Vorgehensweise raten Sie jemandem, der sich ganz neu einen Pool zugelegt hat, in der Absicht, körperliche Fitness vom Grunde aufzubauen?

Hahn: Zunächst: keine Angst, Sie können eigentlich nichts verkehrt machen! Steigern Sie erst die Belastungsdauer der Übungen, um nach ein paar Wochen die Intensität zu steigern. Wechseln Sie Übungen für die einzelnen Muskelgruppen ab, um sich nicht überzube­lasten – erst Arme, dann Beine, dann Bauch, dann Rücken und wieder von vorne – oder arbeiten Sie mit kombinierten Übungen. Als Hilfsmittel empfehle ich die Poolnudel, Aquafitness-Handschuhe und für Aquajogging im tiefen Wasser – das Wasser sollte ­Ihnen hier mindestens bis zur Nase reichen – einen Schwimmgürtel.

S+S: Worauf sollten Menschen achten, die sich im Wasser fit halten wollen?
Hahn: Auf keinen Fall frieren! Bei kühleren Wassertemperaturen gibt es folgende Möglich­keiten: ohne Stehpausen trainieren, die Intensität steigern und/oder mit dünner ­Neoprenkleidung arbeiten.

S+S: Wie hat sich die Aquafitness in den letzten Jahren entwickelt? Welche neuen Formen sind dazu gekommen und mit welchen Auswirkungen?

Hahn: Die Aquafitness hat sich in den letzten Jahren von der klassischen therapeutischen Wasser­gymnastik gelöst und ist deutlich dynamischer, sportlicher und attraktiver ge­worden. Sogar Hochleistungssportler nutzen das Aquatraining als Ausgleichs- und Rehabilitationssportart nach Verletzungen. Die Aquafitness-Angebote wurden zum Teil sehr exotisch. Beinahe jeder Fitnesstrend, der sich an Land etabliert, wird irgendwann auch im Wasser abgebildet: Aqua-Aerobic mit einer sehr hohen Ausdauerkomponente, Aqua-Boxing mit speziell entwickelten Boxhandschuhen, Hydro- oder Aqua-Power als Training mit erhöhtem Krafteinsatz durch Zusatzgeräte, Aqua-Step zum Trainieren vorwiegend der Beine und Koordination, Aqua-Pilates gemäß der Pilates-Philosophie, Aqua-Rhythmik und Aqua-Dancing fördern durch Tanzschritte Koordi­nation und Spaß, Aqua-Cycling auf wassertauglichen Fahrrädern, Aqua-Walking, Aqua-Nordic-Walking und vieles mehr. Diese Formen sind zum Teil relativ einseitig orientiert, trainieren etwa nur die Beine oder nur die Ausdauer. Das ist zunächst nicht negativ, aber für ein komplettes Workout-Programm eignen sich diese speziellen Formen selten. Meines Erachtens eignen sich diese Programme eher für ­professionelle Anbieter wie Fitness-Studios, die ihrer Klientel selbst­verständlich immer etwas Neues bieten müssen.

S+S: Wie benutzt man Gegenstromanlagen am optimalsten?

Hahn: Eine Gegenstromanlage eignet sich neben dem Schwimmen vorrangig für Aquajogging. Richten Sie hierfür die Düse in etwa auf Höhe Ihres Brustkorbes aus, um einen größeren Widerstand zu erzielen, und schalten die Sprudelfunktion aus. Je nach Stärke der Anlage und der gewünschten Übungsintensität können Sie den Abstand individuell wählen. Eine besondere, angenehme Technik finde ich die „MagiSport intense“, die Sie in den ­Anlagen von Amidi Pools einbauen lassen können. Hier schwimmen Sie, getragen von einem starken Wasserstrom, wie auf dem offenen Meer. Der Wasserstrahl kommt von unten gegen die Brust und nicht wie sonst von vorne aus der Düse.

S+S: Was halten Sie von modernen Fitnessformen wie etwa Aqua-Tabata und wie lassen sie sich ins persönliche Trainingsprogramm integrieren?

Hahn: Grundsätzlich lassen sich Teilübungen vieler Fitnesstrends an Land durchaus in ein Workout im Wasser einbauen und sorgen somit für Abwechslung im regelmäßigen Programm. Tabata zum Beispiel ist eine hoch intensive Trainingsform, die durchaus auch für das ­Training im Pool geeignet ist. Wie bei allen hoch intensiven Trainingsformen ist auch hier darauf zu achten, sich langsam an die Belastungen zu gewöhnen, also nicht gleich von Null auf Hundert loszulegen. Ansonsten besteht die Gefahr einer Überlastung des Herz-Kreislauf-Systems. Deshalb: Im Gruppentraining nicht gleich in der ersten Stunde vom Coach zur maximalen Leistung mitreißen lassen!

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